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„Guckt mal, unser Experte“

Rhade/Tadschikistan.   Es war sein siebter Auslandseinsatz für den Senior-Experten-Service – und Johannes Pelz hat wohl mehr Arbeit mit nach Hause genommen, als vor Ort gehabt. Der gebürtige Wulfener, heute in Rhade zu Hause, sollte in Tadschikistan eine Fabrik für Obst- und Gemüsekonserven retten, die es praktisch schon nicht mehr gab.

Es war sein siebter Auslandseinsatz für den Senior-Experten-Service – und Johannes Pelz hat wohl mehr Arbeit mit nach Hause genommen, als vor Ort gehabt. Der gebürtige Wulfener, heute in Rhade zu Hause, sollte in Tadschikistan eine Fabrik für Obst- und Gemüsekonserven retten, die es praktisch schon nicht mehr gab.

„Das stand in meinem Auftrag natürlich nicht drin”, lacht er nach der Rückkehr. Eine tragische Familiengeschichte hat die Firma ruiniert. Der Vater wurde krank, musste an die Dialyse, die Kosten dafür haben die Reserven des Unternehmens aufgefressen. Der Senior starb trotz teurer Behandlung. Sein jüngster Sohn, Sohn, Jurist und Computer-Experte einer Bank, hat ihm auf dem Totenbett versprochen, die Firma zu übernehmen. 25 Mitarbeiter. Im Dörfchen Gissar (200 Einwohner) war die Konservenhalle der größte Arbeitgeber. Tomaten, Gurken und Kürbisse kamen hier ins Glas. Für den Export nach Russland. Nichts Modernes. „Aber das Knowhow war gut”, sagt Pelz.

Tadschikistan war ein besonderes Erlebnis

Als der frühere Iglo-Manager Ende November dort ankam, stand die Fabrikhalle noch. Das war auch schon alles. Anderthalb Jahre lief dort keine Maschine. Die Fenster waren eingeworfen. Tauben nisteten in der Brache, hatten alles zugeferkelt. Es gab noch den früheren Ingenieur der Firma. Ein Ostdeutscher, mit einer Russin verheiratet. „Wir haben uns die Köpfe heiß diskutiert”, erzählt Pelz. Am Ende war nicht viel zu retten. „Maschinen sauber machen und gucken, was geht”, lautete das Fazit. Pelz versprach, von Deutschland aus auf die Pirsch nach Maschinen zu gehen.

Tadschikistan war für den Vielgereisten ein besonderes Erlebnis. „Einmal Mittelalter und zurück”, fasst er den Aufenthalt dort zusammen. Im Haus der Unternehmerfamilie bekam Pelz das Zimmer der Großmutter und nahm teil am Familienleben. „Morgens gibt es Suppe. Aus Milch oder mit Reis. Brotfladen werden einmal die Woche selbst gebacken. Die trockene Krume ist Knabberzeug. Im Haus geheizt wird abends für ein, zwei Stunden. Die Wärme hält bis 22 Uhr. Und dann liegen alle im Bett”, erzählt er. Weggeworfen wird nichts. „Es gibt nichts, was die Leute nicht reparieren können.” Bevor ein Auto auf den Schrott kommt, ist es oft zwanzig Jahre alt. Der Gast aus Deutschland wurde herum gezeigt. „Guckt mal, das ist unser Experte”, stellten ihn die Gastgeber stolz vor.

Viel Arbeit mit nach Hause genommen

Johannes Pelz wurde auch im Landwirtschafts- und im Wirtschaftsministerium empfangen. Dort erzählte er, was ihm im zweitärmsten Staat Zentralasiens aufgefallen ist: Obwohl das Land am Fuß des Pamirgebirges eben und fruchtbar ist (Pelz: „Tadschikische Aprikosen haben Weltruf”), stehen in den Läden fast ausschließlich Konserven aus Russland. „Warum exportiert ihr Früchte und kauft Konserven zum fünffachen Preis zurück”, fragte er. Und warum gewährt die Agrobank Kredite nur für zwei Jahre und nimmt 25 % Zinsen? Komisch, sagten die Ministerialen. „Wir hatten schon mal einen Experten da und der hat das gleiche gesagt”, erzählt Pelz. „Da wäre ich fast geplatzt.”

Und jetzt, wieder in Rhade: Hat er viel Arbeit. Soll im Auftrag eines Beauftragten des Präsidenten ein Investitionskonzept für eine neue Fabrik in einer Freihandelszone an der Grenze zu Afghanistan erstellen. Volumen etwa zehn Millionen Euro.

Johannes Pelz will auch die Firma retten, die eigentlich sein Auftrag war. „Die Geschichte hat mich angerührt. Ich tue mein Möglichstes, die Familie wieder da hin zu bringen, wo sie mal war”, sagt er. Jetzt heißt es, billige und gebrauchte Maschinen beschaffen, den Transport organisieren. „Und wenn das alles da ist, dann fahre ich wieder hin.”

Ludger Böhne