Tor zum Münsterland, Brücke ins Ruhrgebiet

„Ich bin kein Mensch, der Streit sucht“

Vier Jahre hat Heinz-Willi Niemeyer die Dorstener SPD als Chef geführt. Beim Stadtparteitag am Donnerstag gibt er sein Amt ab. Die WAZ sprach mit dem Rhader über seine Amtszeit.

Auf dem SPD-Parteitag heute Abend in Rhade (18 Uhr, Gaststätte Pierick) übergibt Parteichef Hans-Willi Niemeyer seinen Spitzenjob an den Hervester SPD-Vorsitzenden Michael Baune (zumindest ist er der einzige Kandidat). Niemeyer übernahm den Stadtverband in schwieriger Situation und einte die zerstrittenen Genossen. Mit der WAZ sprach der 65-Jährige über seine vier Amtsjahre – und was er noch vorhat.

Warum hören Sie auf?

Ich will aus der Verantwortung da vorne ‘raus. Und: Es ist ein guter Bewerber um die Nachfolge da. Dann ist es Zeit für den Platzhirsch, seinen Posten zu räumen. Alles in allem war es eine schöne Zeit. Ich hab’ viel gelernt.

Als Sie angetreten sind, hatten Sie in Essen noch ihre Firma für Bausanierungen. Die SPD war vor vier Jahren auch ein Sanierungsfall. Mussten Sie viel Aufräumarbeit leisten?

Erstaunlicherweise nicht. Alle haben vom ersten Tag an mitgezogen. Ich habe alle Ortsvereine besucht und die Mitglieder haben mein Engagement
respektiert. Was mich glaubwürdig gemacht hat: Ich habe nie Posten beansprucht, wollte nie in den Rat. Und ich bin nicht der Mensch, der Streit provoziert. Allerdings: Chef der Dorstener SPD zu werden, war nie mein Lebensziel.

Was war denn Ihr Lebensziel?

Ich wollte mit 62 Jahren aufhören zu arbeiten und die Welt bereisen. Vor zwei Jahren hab’ ich mir tatsächlich einen Traum erfüllt und bin mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking bis Moskau gefahren.

Wie stand die SPD da, als sie die Partei übernommen haben?

Sie war nicht in gutem Zustand. Heute sieht das anders aus. Ich weiß nicht, ob das allein an mir liegt. Ich hatte auf dem Weg auch gute Freunde. Meine Rhader. Unser Modell konnten wir auf die Stadtpartei übertragen: Wir können gut miteinander, es gibt keine Querelen um Pöstchen. Darum macht Politik in Rhade Spaß und die Bürger honorieren das. Bei der Landtagswahl lagen wir im schwarzen Rhade in allen Wahlbezirken vorn. Das heißt, beim Parteitag können wir die Genossen in Dorstens neuer sozialistischer Hochburg begrüßen.

Zum „Rhader Modell“ gehören auch die handgemalten Plakate für Veranstaltungen. Gibt’s die jetzt in allen Ortsvereinen?

(lacht) Nee. Aber die Rhader CDU macht uns das jetzt nach.

Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen der letzten vier Jahre?

Wir haben viel angestoßen, zum Beispiel die Stadtwerke-Diskussion. Beim Thema Fracking haben wir uns vor den Zug gespannt und für Bürgerbeteiligung schlägt unser Herz. Im Prinzip haben wir die CDU vor uns hergetrieben.

Michael Baune, ihr Nachfolger in Spe . . .

. . . ist ‘n Guter. Als Chef in Hervest hat er sich in Szene gesetzt. Als Nachfolger für die Stadtverbandsspitze bot er sich an. So wie ich ist er auch ein Unternehmertyp.

Haben Sie einen guten Rat für Michael Baune?

Ja. Er muss die Interessen der Ortsvereine beobachten, beachten und im Stadtverband koordinieren. Ich bin immer gut damit gefahren, nicht anzuordnen, sondern die Leute zu bitten und zu fragen. Die Mitglieder, die abends in den Versammlungen sitzen, die machen das ehrenamtlich, die kriegen dafür nichts. Sie müssen das Gefühl haben, was wir hier tun, das haben wir gemeinsam beschlossen.

Was sagen Sie zu Stärkungspakt und Sparpaket?

Dass der uns erwischt, war abzusehen. Aber die Fehler, die Dorsten in die Insolvenz getrieben haben, wurden nicht in der Stadt gemacht, sondern im Land und mehr noch im Bund. Aber das Problem ist in Berlin angekommen. Dort müssen die Städte gestärkt werden, denn hier wird von den Menschen das Geld verdient. Ich hoffe, dass durch unser Stadtwerkemodell noch mehr Geld in die Kasse kommt. Es wird ja schon überlegt, dort Atlantis einzubinden, um die Verluste zu sozialisieren.

Und ab Freitag sind Sie endgültig Rentner?

Nein, ich bleibe ja SPD-Chef in Rhade, bin damit weiter Mitglied im Vorstand des Stadtverbandes und werde dort mit Rat und Tat zur Verfügung stehen. Und privat habe ich auch ein neues Projekt: Ich konnte in Rheinberg ein größeres Grundstück kaufen, baue dort mit einer neuen Firma 16 behindertengerechte Wohneinheiten. Als Geschäftsführer bekomme ich kein Gehalt. Mir macht das einfach Spaß.

Stillsitzen ist Ihre Sache nicht?

Stimmt. Meine Frau sagt immer, Du musst was machen.