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„Die Zeit hier war sehr gut“

Rhade. 24 Jahre war Heinz Bruder Pfarrer der Gemeinde St. Urbanus / St. Ewald in Rhade. Am Sonntag wird er mit einem Dankgottesdienst in den Ruhestand verabschiedet.

02.02.2011

Heinz Bruder (68) empfängt im Wohnzimmer zum Gespräch. „Es ist schon ein bisschen kahl geworden“, lacht er. Am Sonntag verabschiedet die Gemeinde St. Urbanus ihren Pfarrer nach 24 Jahren im Dorf mit einem Dankgottesdienst, bereits am Montag danach („eigentlich viel zu schnell“) kommt der Möbelwagen, zieht Bruder um nach Heiden, in das Haus, in dem er als Kind gelebt hat und aufgewachsen ist. Mit der WAZ sprach er über seine Zeit in Rhade, seine Pläne und was ihn glauben lässt.

24 Jahre Pfarrer in Rhade, das ist eine lange Zeit . . .
Und diese Zeit hier war sehr gut. Rhade ist eine aktive Gemeinde. Es war von Anfang an klar, meine Aufgabe hier wird nicht sein, Aktivitäten zu unterdrücken, sondern sie zu fördern. Wir haben den Frauenchor gegründet, die Messdienerarbeit neu aufgebaut, aus ersten Jugendfahrten ist die jährliche Ameland-Reise geworden, die von Eltern organisiert und betreut wird. Die ist längst ein Selbstläufer.

Was hat Sie zum Priesterberuf gebracht?
Ich hab’ ja erst ganz ‘was anderes gelernt. Industriekaufmann in einem Bocholter Textil-Betrieb. Aber mit Buchführung war ich nie zufrieden. In einer Mittagspause bin ich in eine Kirche gegangen, nicht um zu beten, sondern um auszuruhen. Da fiel Licht durchs Fenster. Und in dem Moment habe ich gedacht, Du könntest doch Priester werden. Da war ich 19 oder 20.
Sie haben in einer Mittagspause überlegt, Priester zu werden? Das klingt etwas zu launig.

Nein, ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. Mein Onkel war Pfarrer in Heiden, wo ich aufgewachsen bin. Ich habe mich erkundigt, habe dann nach dem Entschluss am Abendgymnasium Abitur gemacht, in Münster und Freiburg studiert. Natürlich gab es auf dem Weg zum Priesteramt Höhen und Tiefen, auch Zweifel. Ich habe nächtelang über Ernst Bloch diskutiert. Am 2. Juni 1974 bin ich dann in Münster zum Priester geweiht worden.

Was hat ihre Zweifel letztlich überwogen?
Zuversicht und Glaube an ein Leben nach dem Tod: Das ist die Kernbotschaft überhaupt. Und die zweite lautet: Gott ist in Jesus Mensch geworden, weil er die Erde liebt. Und darum ist es unsere Pflicht, die Erde und die Menschen zu lieben und sich sozial zu engagieren.

Was hat Sie schließlich nach Rhade verschlagen?
Davor war ich als Kaplan drei Jahre in Waltrop, zehn Jahre in Stadtlohn und es war Zeit, eine Pfarrstelle zu übernehmen und etwas Neues zu machen. Ein Freund von mir in Kirchhellen wusste, in Rhade ist die Pfarrstelle frei. Als mir der Personalchef des Bistums andere Stellen anbot, hab ich abgelehnt. Bis er fragte, ja, wo wollen ‘se denn hin? Nach Rhade, hab’ ich gesagt.

Als Heidener werden sie das Dorf ja gekannt haben . . .
Eigentlich nur durch den Bahnhof.

Was prägt Rhade ihrer Ansicht nach?
Die Aktivität der Leute hier, ihre Selbstständigkeit, die vielen Vereine und die religiöse Tradition. Die trägt die Menschen und die hat auch mich getragen. Deshalb ist die Fusion auch so schmerzlich. Da werden Traditionen wegbrechen. Künftig sind im Dorstener Norden drei Seelsorger für die fünf Gemeinden zuständig. Das ist nicht zu viel.

Muss man sich um das Gemeindeleben Sorgen machen?
Ich habe immer versucht, nichts von mir abhängig zu machen und vieles wird weiter gehen, wenn ich nicht mehr da bin. Der Ghanakreis ist selbstständig, die Partnerschaft mit Nordirland läuft toll, bei der Polenhilfe bin ich nur das Anhängsel. Erst vor drei Jahren haben wir einen Besuchsdienst für Schlaganfall-Patienten gegründet – unterstützt vom Caritasverband: Auch das wird weiter laufen. Einfach, weil die Rhader so viel eigenen Antrieb haben. Sonst wäre schon manches kaputt.

Was wird aus dem Pfarrhaus hier am Urbanusring?
Das hängt davon ab, was aus St. Ewald wird. Die Filial-Kirche können wir nicht aus unserem laufenden Haushalt unterhalten. Wenn wir dafür kein Geld von Münster bekommen, müssen wir sie aufgeben und dann fehlen der Gemeinde Räume. Das Pfarrhaus könnte dann Ersatz sein.

Sie ziehen sich mit ihrem Umzug nach Heiden ganz aus Rhade zurück?
Kennen Sie das Lied „Niemals geht man so ganz“? Ich werde die Erstkommunion in Rhade in diesem Jahr noch zu Ende führen und ich werde in der Gemeinde immer wieder aushelfen und mir dann viel Zeit für die Vorbereitung nehmen können: Das ist ja eigentlich ein Traum: Ich kann demnächst schon am Montag mit der Predigt beginnen . . .

Quelle: Der Westen Dorsten - 02.02.2011