Rund um Rhade hat der Heimatverein eine „Pättkestour“ abgesteckt und wichtige Orte derGeschichte mit Texttafeln versehen. Vorsitzender Christoph Höller erläutert den Rundkurs
Christoph Höller hat die elf Kilometer lange Runde nicht abgesteckt. Das haben alte Kämpen des Heimatvereins vor über zehn Jahren gemacht und die wichtigsten Stationen aus 4000 Jahren Rhader Geschichte markiert mit Texttafeln, massiv aus Holz gezimmert – wie kleine, sprechende Fachwerkhäuser. Aber Höller hat diese Pättkestour schon oft absolviert, allein oder mit Gruppen. „Absolut empfehlenswert” nennt der Vorsitzende des Heimatvereins den Rundkurs durch Rhade.
Für die volle Runde über elf Kilometer ist ein Rad zu empfehlen. Dann ist auch das Naturschutzgebiet Rhader Wiesen (Wohnort der Störche Agnes und Ludger) im Süden der Gemeinde dabei, das vielleicht 3000 Jahre alte Urnen-Gräberfeld am Kalten Bach und ein (nicht mehr existierendes) Hügelgrab am Stuvenberg. Wer die Stationen 2, 9 und 10 auslässt, kann die übrigen auch zu Fuß erkunden.
1Wir beginnen unsere Runde an der Mühle, vor zehn Jahren restauriert, heute Stolz und Sitz des Heimatvereins. Ein Trutzbau, seit fast 300 Jahren unverändert. „Für die Mühle muss man sich Zeit nehmen”, sagt Höller. Zeit am Besten auch, das Innere zu erkunden: Das Mahlwerk – seit einigen Jahren und nach der Restaurierung durch den Heimatverein wieder von einem Mühlrad angetrieben – funktioniert
2Weiter geht’s zur Bakelheide am Rande der Rhader Wiesen. Hier hat vor 800 Jahren eine Burg gestanden. Keine romantische Ritterfeste, sondern ein Hügel mit einem Turm und Gräben drumherum. Keine Schutzburg, wie früher vermutet, sondern eine Trutzburg war das wohl. Ein Grenzposten zwischen dem Herzogtum Kleve und dem Stift Münster. Wo diese „Schwarte Borg” gestanden hat, kann man heute noch ahnen, erklärt Christoph Höller. „Man muss sich ein bisschen Zeit nehmen, dann erkennt man am unterschiedlich gefärbten Grün die Gräben.“
3Nach einem Schlenker durch die Rhader Wiesen kommen wir zur Schützenstraße am Dorfrand. Hier soll eine weitere Burg gestanden haben, die Fliehburg Hoß Kalverkamp. Ein Notversteck. Ob es sie wirklich gab? Manche bezweifeln das. Der vermutete Standort wurde in den 1950ern eingeebnet. Es gibt keine Dokumente, die eine Burg an dieser Stelle bezeugen. Wurden vielleicht auch nie geschrieben, um die Burg geheim zu halten. Nur Karteneinträge und Erzählungen lassen ahnen, dass die Vorväter hier ein Versteck hatten.
4/5Kirchplatz und St. Urbanus-Kirche nennt Christoph Höller „ein starkes Stück Rhade”. Die Geschichtstafel trägt die Überschrift „Der malerische Winkel”. Da ist was dran. Auch wenn nach 1950 viel Fachwerk wegmodernisiert wurde, sind Grundriss und alte Häuser erhalten geblieben. Ganz früher, so Forscher, umgab ein Wall mit einer Hecke das Dorf. Zutritt nur durch befestigte Tore.
6Der Schultenhof an der Debbingstraße war nicht einfach nur ein Bauernhof. Er war auch Sitz des Holting, neudeutsch „Holzgericht”, eine Art frühes Dorfparlament, das schon vor 650 Jahren tagte. Land, das nicht beackert wurde, war damals Besitz der Allgemeinheit. Beim Holting wurde geregelt, wer Weiden nutzen oder wie viel Holz schlagen durfte. Klingt wie frühzeitlicher Sozialismus, war es aber nicht. Aufsicht über die Holzgerichte führten die Herren von Lembeck, die dafür einen – immer größer werdenden – Anteil an den Nutzungsrechten bekamen.
7An der Erler Straße haben Archäologen nach einem Scherbenfund 1929 Herdreste und Stützpfosten eines „germanischen Hauses” gefunden, das dort wohl um 200 bis 275 nach Christus gestanden hat. Dass die Rhader schon damals weltoffen waren, belegt diese Fundstelle: Die Bewohner besaßen römische Töpfe.
8Richtung Osten geht es weiter zum Mühlenteich. Hier liegt unter einem Kiefernwäldchen ein Hügelgrab, wohl 3700 bis 4000 Jahre alt. An gleicher Stelle wiesen Forscher ein 1500 Jahre später angelegtes Grab nach, dass die Form eines Schlüssellochs hatte.
9Nach einer Runde um den Mühlenteich geht’s zum Kalten Bach. Hier entdeckte der Borkener Arzt Dr. Wilhelm Conrads 1897 rund 90 Hügelgräber. Ein Feld, „selten groß und noch intakt”, schrieb er selbst. In nur zwei Tagen buddelte der Hobbyarchäologe zwölf Urnen aus, wohl aus der Zeit um 1200 bis 700 vor Christus, dazu Becher und andere Grabbeigaben. Die Hügel sind heute noch sichtbar.
10Die letzte Station am Stuvenberg erinnert an skurrile Funde des Hobbyforschers Fritz Küpper. Er fand hier etwa einen in Westfalen einzigartigen Halsring. Noch rätselhafter ist ein Stein, geschliffen wie ein Schwert. Rätselhaft, weil solche Steinschwerter sonst nur bekannt sind aus Süd- und Mittelamerika.
Ludger Böhne