Seit sechs Jahren lebt Schermbecks früher Pfarrer Franz-Gerd Stenneken am Rand des Dorfes.
„Ich bin im Wintergarten” steht auf dem Zettel an der Tür. Hinter den Garagen am Westerfeldweg. Mit Blick auf die Rhader Wiesen. Auf das Nest der Störche Agnes und Ludger. „Das ist mein Wohnzimmer”, lacht Franz-Gerd Stenneken, Pfarrer im Ruhestand und seit sechs Jahren in Rhade zu Hause. Er blickt ins Grüne. „Es ist was anderes, ob ich hier mein Brevier lese oder in meiner Wohnung. Hier bin ich der Natur viel näher. Ich habe es wirklich gut getroffen.”
21 Jahre war Stenneken Seelsorger in St. Ludgerus Schermbeck. Seine erste Heimat, dort sei er „immer noch verwurzelt”, sagt er. Als die Zeit dort zu Ende ging, habe er bewusst „ein Auge auf Rhade geworfen”. Nahe dran an Schermbeck. Freier Blick auf die Natur, die Wege in den Wald sind kurz, die Radelstrecken nach Schermbeck oder zur Tüshaus Mühle traumhaft schön. „Das bietet die Stadt nicht.” Und: Hier auf dem Dorf seien die Menschen gelassener. „Die bleiben eher mal stehen”, lacht Stenneken. Im Gottesdienst zu seiner Begrüßung kam eine Frau auf ihn zu, sagte fröhlich Willkommen. „Da hab’ ich gemerkt, Rhade kann Heimat werden.” Heute sagt er: „Man gehört einfach dazu.”
Noch ein bisschen Priester zu sein, das macht ihm Spaß. „Und die Rhader sind froh, einen Seelsorger zu haben, der mehr Zeit hat”, sagt er. Freiwillig bindet der Ruheständler sich ein. Übernimmt Vertretungen, feiert Taufen, Goldhochzeiten, mal eine plattdeutsche Messe (zuletzt in Lembeck beim Heimatfest am Krusenhof). Engagiert sich bei Kolping und Messdienern. Und hat Familienkreise gegründet. „Da hab’ ich Kontakt mit allen möglichen Geschichten, die junge Eltern erleben. Das hält mich auch jung”, sagt der 72-Jährige.
Als Seelsorger ist der Ruheständler in allen fünf Gemeinden im Dorstener Norden unterwegs, hat die Unterschiede kennen und schätzen gelernt. Was ihm an Rhade besonders gefällt: „Die Lebendigkeit durch die vielen jungen Familien. Die vielen Dorffeste hier. Dass man sich immer wieder trifft.” Was Stenneken fehlt – aber das beschreibt nur ein Problem, das alle Dörfer haben: Ein nettes Café, ein Buch- oder ein Blumenladen, ein Einkaufsbereich mitten im Dorf.
Franz-Gerd Stenneken genießt es auch, dass die Rhader vielleicht noch katholischer sind als Stadtmenschen. „Hier haben die Leute noch eine Ahnung davon, wie man ein Lied singt. Hier sind Messen Gemeinschaft. Die Leute gehen mit. Da entstehen Momente, die Gottesdienste familiär machen . . .”
Ludger Böhne