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Ingrid Nienhaus-Venhof und Klemens Venhoff sind die guten Seelen der uralten Traditions-Gaststätte im Dorfkern.

Ingrid Nienhaus-Venhof und Klemens Venhoff sind die guten Seelen der uralten Traditions-Gaststätte im Dorfkern.

„Wir sind ja kein Szene-Lokal“

Die Gaststätte Nienhaus-Venhoff gibt es seit 1870. Sie war Brauerei und Kolonialwarenladen. Ihre nostalgische Schankstube ist bis heute das „Wohnzimmer“ des Dorfkerns und Heimat vieler Vereine

Vielleicht ist das der Kern dieser Erzählung: Die Gaststätte Nienhaus-Venhoff an der Schützenstraße ist ein lebendes Stück Dorfgeschichte. Die Wirtsleute Ingrid Nienhaus-Venhoff und Klemens Venhoff jedenfalls können an den schweren Tischen in der Schankstube viele Anekdoten erzählen. Selbst erlebte und überlieferte.

Wie viel Geschichte der Raum atmet, verrät der Schrank hinter der Theke. Ein massives Möbel, so alt wie der Schankraum. Bei einer Renovierung haben die Wirtsleute auf der Rückseite die eingeschnitzte Jahreszahl 1870 gefunden und die Initialen des Dorftischlers Hinsken.

„Wir sind sehr beständig“

„Alte Möbel haben Wert”, lacht Ingrid Nienhaus-Venhoff. Die Kneipe ist auch so ein Möbelstück, aktenkundig seit 1752. Ein Dorfmöbel sozusagen, das mit der nostalgischen Bierstube nicht nur von sich selbst, sondern viel auch über Rhade erzählen kann. „Wir sind beständig. Es tut den Leuten gut, dass etwas so bleibt, wie es ist.” Pläne für eine Renovierung wurden verworfen. In der guten Stube hat jeder Stammgast seinen Platz.

Der Familienstandort selbst ist viel älter. Der Hof Köster (für manchen Rhader heißt die Gaststätte heute noch so) lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurück verfolgen. Eine Gaststätte gibt es hier seit 1870. Bis Anfang der 1920er mit eigener Brauerei. Morgens um 7 kamen früher die ersten Gäste. Sie bestellten nicht Bier, sondern Schnapps. „Zwischen zwei Gemelken war dafür immer Zeit”, erzählt die Wirtin. Als das Haus 1949 abbrannte, halfen Nachbarn beim Wiederaufbau, zogen Mauern hoch und zimmerten einen neuen Dachstuhl. „Sie haben gute Arbeit geleistet“, kann die Wirtin heute noch stolz berichten.

Bis in die 1960er Jahre war die Kneipe zugleich Kolonialwarenladen. Ingrid Nienhaus-Venhoff erinnert sich an Waage, Käsehobel, Kaffeeverkauf und vor allem – sie war damals noch Kind – das Bonbonglas auf der Theke.

Die Gaststätte lebt heute vor allem vom Saalbetrieb, von Familienfeiern und Vereinen. Die Schankstube ist dennoch unverzichtbar. „Das ist immer noch die Kommunikationsmitte in Rhade”, sagt die Wirtin. Morgens kommt die erste Schicht, tauscht Neuigkeiten aus. Abends kommt die zweite Schicht.

Ein Gast hat Apfelblüten mitgebracht

Dass es immer so weiter läuft, ist auch das Verdienst der Wirte. „Menschlich muss man für diese Arbeit geboren sein. Fachlich muss man Interesse daran haben. Und gute Kundschaft muss man sich durch Qualität erarbeiten. Wir sind ja kein Szene-Lokal.” Auf der Theke stehen in einem Glas Zweige mit Apfelblüten: „Die hat ein Gast mitgebracht.” Aber so wie früher ist es nicht mehr. Beispiel Schützenfest: Als der Zeltplatz noch in Dorfnähe war, war „in jeder Gaststätte Tanz, im ganzen Dorf Remmidemmi.“ Seit der Festplatz näher an Deuten liegt als an Rhade „ist abends das Dorf tot.“ Trotzdem: Der Schankraum war und bleibt das Wohnzimmer des Dorfes. Für Alteingesessene und Zugezogene. Ein Neuer hat Ingrid Nienhaus-Venhoff mal gefragt, was er tun muss, um ein Rhader zu werden: „Einen Sack Salz essen?” Lachend hat sie geantwortet: „Ich glaube, das reicht nicht.”

Von Ludger Böhne